Kriegsnagelungen

Haben Sie schon einmal das Wort "Kriegsnagelungen" gehört? Kennen Sie den "eisernen Landsturmmann"?

Nein? Nun, das ist nicht verwunderlich und auch nicht schlimm, denn wir werden es Ihnen erklären.

 

 

Suchen wir nach Kriegsnagelungen in näherer Vergangenheit befinden wir uns in den Jahren 1915-18 in Deutschland und Österreich. Also genau während des Ersten Weltkrieges. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, schließlich sind die Nagelungen eng mit dem Krieg verbunden.

Die erste Kriegsnagelung der Neuzeit fand am 6. März 1915 in Wien statt. Es wurde eine überlebensgroße Ritterstatue aus Holz aufgestellt. Die versammelten Bürger konnten einen eisernen, kupfernen oder sogar goldenen Nagel gegen eine Spende erwerben. Der Nagel wurde dann in die Statue geschlagen, sodass die Holzskulptur mit der Zeit zu einer  Metallenen wurde. Das Volk an der Heimatfront konnte seinen Zusammenhalt nach außen hin sichtbar machen und seinen Willen demonstrieren, seinen Teil zum Krieg eizutragen. Außerdem zeigten die Teilnehmer ihr Vetrauen in die politische und militärische Führung. Die Idee der Nagelungen war bereits seit dem Mittelalter bekannt, wurde zu jener Zeit jedoch als Schutz gegen Magie und Hexen duchgeführt.

 

Von Wien aus verbreitete sich diese neue Form der Geldbeschaffung und Gemeinschaftsstärkung "epidemieartig" in ganz Deutschland und Österreich. Insgesamt wurden in mehr als 2000 Orten solche Statuen zum Benageln aufgestellt. Im Deutschen Kaiserreich sprach man, während man den Nagel in die Statue schlug, folgende Formel: "Mit Gott! Für Kaiser und Reich! Und Frieden!". Die Hammerschläge wurden mehrheitlich mit großer Inbrunst ausgeführt, die somit symbolisch dem Feind galten.

 

Neben den Nägeln konnte Bürger auch Souveniers der Nagelstatuen, wie z.B. Postkarten, Bilder oder Anstecknadeln erwerben. Die Einnahmen aus den Nagelungen waren zum Teil beachtlich und kamen den Kriegswitwen, Kriegswaisen und Hinterbliebenen zugute.

 

Als das Interesse an den Nagelungen im Jahre 1916 nachließ, wurden diese verstärkt an Schulen durchgeführt. Die große Mehrheit der fast 6 Millionen deutschen Schüler hatte die Möglichkeit an den Schulnagelungen teilzunehmen. Diese schulischen Veranstaltungen waren aufwendig inszeniert und beinhalteten zum Teil auch patriotische Lieder und Reden, welche bei den Schulkindern bleibende Eindrücke hinterlassen sollten.

 

Vereinzelt fanden Kriegsnagelungen auch außerhalb des Deutschen Kaiserreichs und Österreich-Ungarn statt. In Amerika führten Gruppen deutscher Einwanderer oder Bürger mit deutschen Vorfahren Nagelungen durch, die dem Roten Kreuz in Deutschland zugute kamen. Auch im Osmanischen Reich stellte man einen "Wohltätigkeitsmörser" auf dem Bahaziplatz in Stambul auf, der benagelt werden konnte. Mehrere Fürsten spendeten goldene Nägel, wie z.B. Kaiser Franz Joseph, Kaiser Wilhelm, Sultan Mehmed und König Ferdinand von Rumänien.


Kriegsnagelung in Erfurt

Im August 1915 wurde beschlossen, ausgehend von ersten Nagelungen in Wien, auch in Erfurt eine hölzerne Skulptur aufzustellen, die von den Einwohnern benagelt werden konnte. Franz Trillhase wurde, beauftragt ein Gipsmodell und später eine hölzerne Skulptur, die eines Landsturmmannes, herzustellen. Der Landsturmmann sollte einen reifen Mann, mit Frau, Kindern, Haus und Hof verkörpern. Die Kosten für die Statue betrugen ungefähr 1.400 Mark. Am Sonntag, dem 24. Oktober 1915, wurde der Landsturmmann mit einer festlichen Feier auf dem Friedrich-Wilhelm-Platz, dem heutigen Domplatz, eingeweiht. Nach den Einweihungsfeierlichkeiten wurde er in der Vorhalle des städtischen Museums, dem heutigen Angermuseum, aufgestellt und konnte für weitere 169 Tage benagelt werden. Am Montag, dem 10. April 1916, wurde der letzte Nagel in die Statue geschlagen. Insgesamt wurden ca. 49.000 Nägel verwendet.

Die Bürger der Stadt standen ihrer Nagelstatue geteilt gegenüber. Ein Teil, wie z.B. der  "Kreiskriegerverband", hielt ihn für ein "Wahrzeichen der Kriegsnot und der der Kriegshilfe" und sie trugen dem Magistraten der Stadt auch ihre Beunruhigung vor als der Landsturmmann verschwand.

Der andere Teil der Bürger hielt den Landsturmmann für überflüssig, ein Teil der Kriegspropaganda, für "volksschädigenden Bopanz". Ihrer Meinung nach war das Verschwinden des Landsturmmannes kein großer Verlust. So schreibt z.B. die "Neue Zeitung" am 10. März 1921: "Wie [Kaiser] Wilhelms Herrlichkeit endet auch die des eisernen Landsturmmannes."

Heute ist nicht mehr bekannt, wo der Landsturmmann verblieben ist.

Nagelkreuz, welches von der Gruppe für die Ausstellung auf dem Schulfest am 9. Mai angefertigt wurde.
Nagelkreuz, welches von der Gruppe für die Ausstellung auf dem Schulfest am 9. Mai angefertigt wurde.

Das eiserne Buch

Jeder Teilnehmer, der einen Nagel in den Landsturmmann geschlagen hatte, durfte sich in das "Eiserne Buch" eintragen lassen. Insgesamt sind ungefähr 14.800 Privatpersonen, Vereine und Unternehmen alphabetisch eingetragen worden.

Das Buch ist ca. 12cm dick, Buchdeckel und Buchrücken bestehen aus massivem Eisen und so ist es kaum verwunderlich, dass das Buch von einer Person kaum anzuheben ist.

Dem großen Spenderverzeichnis geht eine 9-seitige Urkunde voran, die die Geschichte des Landsturmmannes, sowie den Stolz der Stadt auf ihr Wahrzeichen beschreibt.

Der Buchdeckel ist geschmückt mit einem eisernen Tiefrelief eines aufrecht sitzenden Adlers. Die majestätische Haltung des Tiers steht stellvertretend für die Größe, Macht und Stärke des Deutschen Reiches und seines Volkes. Das "Eiserne Buch" befindet sich heute im Stadtarchiv.

 

Finanzbericht zum eisernen Landsturmmann

Kriegsnagelungen sollten als patriotischer Akt gelten, der das geeinte Volk nach Außen sichtbar macht. Die Menschen an der Heimatfront sollten auch die Möglichkeit haben, etwas zum Sieg beizutragen. Dabei entstanden teilweise beachtliche Spendensummen, die zur Unterstützung der Hinterbliebenen der gefallenen Soldaten dienten.

Insgesamt ergaben sich Einnahmen von rund 37.280 Mark. Dieser Betrag sollte gedrittelt werden, in jeweils 10.700 Reichsmark. Den ersten Teil sollten die Angehörigen, der im Feld stehenden Erfurter Soldaten, bekommen. Den zweiten Teil sollte ein Zweigverein des Roten Kreuzes in Erfurt zugute kommen. Den dritten Teil schickte man an die "Nationalstiftung für Hinterbliebene der im Krieg Gefallenen" in Berlin.

 

von Richard, Jakob, Philip, Florian