Die Frau im I.Weltkrieg

Leben in Erfurt zwischen Kriegserfahrung und verändertem Rollenverständnis

 

Gliederung :

 

-Neue Lebensumstände für die Frauen und Frauen in Männerberufen

-Große Not durch Hunger und Entbehrunge

-Feldpostbriefe

-Emanzipation nach dem 1. Weltkrieg

 

 

 

Wir haben uns mit dem Thema " Frauen im Ersten Weltkrieg - Leben in Erfurt zwischen Kriegserfahrung und verändertem Rollenverständnis " beschäftigt. Durch umfassende Recherchen zum Beispiel in Geschichtsbüchern, dem Stadtarchiv, dem Stadtmuseum und dem Internet bekamen wir Einblicke in den Alltag der Frauen. Ihre Lebensumstände veränderten sich schlagartig. Sie mussten mit einer veränderten Rolle, erschwerten Umständen in Formen von Hunger und Leid, sowie neuen Regelungen zurechtkommen.

 

 

  1. Neue Lebensumstände für die Frauen in Männerberufen

 

Millionen von Männern wurden nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges an die Front gerufen. Sie hinterließen in der Heimat ihre Frauen und Kinder, sowie viele unbesetzte Arbeitsplätze. Nach dem Weggang vieler Männer stellte sich das Leben der Frauen komplett auf den Kopf. Vor dem Krieg waren sie sehr abhängig von ihrem Mann. Als Oberhaupt der Familie hatte er die Macht Entscheidungen zu treffen, seine Familie mit Geld zu versorgen und wählen zu gehen. Die Frau musste sich ihm unterordnen und auf seine Worte hören. Nun waren sie auf sich allein gestellt. Zu der Angst, ob ihre Männer wieder gesund heimkehren würden, gesellte sich die Frage, wie es nun weiter gehen sollte. Die gesamte Situation war eine neue Herausforderung für die Frauen, die ihnen viel abverlangte. Sie mussten plötzlich lernen, selbst Entscheidungen zu treffen und konnten sich nicht mehr nur auf ihre Männer verlassen. Die gewonnene Selbstständigkeit der Frauen hatte auch ihr Gutes. Sie konnten endlich zeigen, was in ihnen steckt und dass sie auch ohne ihre Männer zurechtkamen. In den kriegswichtigen Berufen, z.B. in der Industrie, fehlte es an Arbeitskräften. Frauen mussten für ihre Männer dort einspringen. Bauernmädchen, Dienstmädchen der bürgerlichen Häuser und Frauen, die noch keine Arbeitserfahrung besaßen, gingen in die Fabriken und schufteten dort. Neben der Versorgung der Kinder und des Haushaltes übernahmen die Frauen nun auch körperlich anstrengende Arbeiten in Fabriken, zum Beispiel in Metallfabriken, Gewehrfabriken (Rüstungsindustrie), als Verkehrspolizistinnen, Fabrikinspektorinnen, Straßenbahnfahrerinnen oder in Verwaltungsberufen (Post). Die meisten Frauen taten dies freiwillig, da sie sich dort Geld hinzuverdienen konnten, manche sogar eine Uniform. Diese stellte eine große soziale Aufwertung dar. Allerdings waren es sehr harte, oftmals auch gesundheitsgefährdende Arbeiten, bei denen den Frauen viel Kraft geraubt wurde. Schutzbestimmungen für Arbeiterinnen waren am Anfang des Krieges aufgehoben wurden, daher betrugen die Arbeitszeiten pro Schicht meistens ca. 11 bis 12 Stunden und auch die Lohnverteilung war sehr ungerecht. Während z.B. ein Mann als Facharbeiter in der Gewehrfabrik mit 4 Mark am Tag belohnt wurde, lag der Lohn der Frauen bei gerade einmal 1,5 Mark. Außerdem erschwerten manche der übrig gebliebenen Männer die Arbeit der Frauen, indem sie wenig Respekt zeigten und die Frauen weniger Wert schätzten als ihre männlichen Kollegen. Wegen dieser Ungerechtigkeiten entzogen sich einige Frauen dem Dienst wieder. Die Folge war, dass es 1917 zu einer Arbeitsverpflichtung kam. Jedoch wurde diese kaum angewendet. Durch die Arbeit der Frauen in Männerberufen gab es einen Ausbruch aus den festgelegten Rollenklischees. Frauen bewiesen Stärke und Mut an der Heimatfront. Auch die Erziehung der Kinder lag jetzt in ihren Händen. Allerdings waren sie verpflichtet nach Ende des Krieges den heimkehrenden Männern ihre Arbeitsplätze abzugeben. 

 

 

  2. Große Not durch Hunger und Entbehrungen

 

Das zivile Leben an der Heimatfront ist von Kriegsbeginn an von großer Not und Mangel geprägt. Auch die Stadt Erfurt ist im Krieg großen Belastungen ausgesetzt. Die Atmosphäre verschlechterte sich von Kriegsjahr zu Kriegsjahr. Die gepriesene Einheit des Volkes 1914 löst sich auf. Fast alle sozialen Schichten unterlagen einem materiellen Verarmungsprozess. Als erste litten Familien unterer sozialer Gruppen, deren Männer in den Krieg eingezogen waren. Das Grunderlebnis des Krieges an der Heimatfront sind Hunger, Unterernährung und steigende Sterbezahlen. Frauen litten besonders unter diesen Verhältnissen. Sie arbeiteten nicht nur schwer in der Wirtschaft, sondern mussten sich weiterhin um Haushalt und Kinder kümmern, sowie um die Lebensmittelversorgung, um Brennstoffe oder um Kleidung. Es war ein Dauerproblem, sich mit Nahrungsmitteln und Artikeln des täglichen Bedarfs zu versorgen. Die Situation wurde durch das Hindenburg-Programm noch verschlimmert, da jetzt verstärkt kriegswichtige Artikel produziert wurden und die Produktion von Friedenswaren zurückgefahren wurde. Zusätzlich ging bis zum Ende des Krieges 1918 die Erzeugung von landwirtschaftlichen Produkten zurück. Die lebenswichtigen Importe von Getreide aus Russland und den USA fielen weg. Auch die englische Seeblockade verschlechterte die Versorgung. Die zurückgebliebenen Frauen mussten zusehen, wie sie sich und ihre Kinder mit der kärglichen Kriegsunterstützung, die das Reich und die Kommunen zahlte, durchbringen konnten. In den Erfurter Zeitungen erschienen im November 1914 erste Mahnungen gegen die sorglose Verschwendung von Getreide. Im Januar 1915 erschienen " Die 7 K-Gesetze der Kriegsküche: Eßt Kriegsbrot! Kocht Kartoffeln in der Schale! Kauft keinen Kuchen! Seid klug, spart Fett! Kocht mit Kochkiste! Kocht mit Kriegs-Kochbuch! Helft den Krieg gewinnen!" Brotkarten wurden im Februar 1915 eingeführt. Nach und nach mussten auch die anderen Genussmittel rationiert werden. Im Sommer 1915 waren hochwertige Nahrungsmittel wie Fleisch, Butter und Eier für Großstädter unerschwingliche Luxusartikel. Lange Schlangen vor Lebensmittelläden wurden zum gewohnten Bild. Diese sogenannten Lebensmittelpolonaisen von Frauen sahen die Behörden nicht gerne. Es kam zu Hungerkrawallen, Frauen demonstrierten für " Frieden und Brot ". In Erfurt kam es erstmals 1915 zu einem Kartoffelmangel. Deshalb verkaufte der Magistrat Kartoffeln aus den Lagern im großen Hospital und im Keller Anger 16 ( Hof des Angermuseums). Später kamen noch Verkaufsstellen am Friedrich-Wilhelm-Platz und in der Comturgasse dazu. Die "Erfurter Tribüne " berichtet von einem großen Andrang, ca. 1000 Frauen und Kinder standen in langen Schlangen an. Einen Höhepunkt erreichte der Hunger im Kohlrübenwinter 1916/1917. An den Folgen der Unterernährung und Hunger starben insbesondere ältere und kranke Menschen und Kinder. Die Kindersterblichkeit stieg um 50 Prozent. Man versuchte den Lebensmittelverbrauch mit vaterländischen Parolen wie " In ein deutsches Haus gehört in dieser Zeit kein Kuchen " zu steuern. Durch Flugschriften oder in Ernährungskursen wurde für  eine spezielle Kriegsernährung geworben. Die Frauen mussten Verfahren erlernen, um Lebensmittelreste als Nahrungsmittel zu verarbeiten, sowie die Herstellung von Ersatzlebensmitteln. Viele Spekulanten, Erzeuger bzw. findige Produzenten schreckten nicht davor zurück, minderwertige Produkte mit geschickter Aufmachung auf den Markt zu bringen. Der  Prüfungsstelle von Nahrungsmitteln steht das 1908 gegründete Nahrungsmitteluntersuchungsamt der Stadt Erfurt zur Verfügung. Dort wurden die Ersatznahrungsmittel auf das Genauste beurteilt. Die Frauen wurden angemahnt, sich im Haushalt einzuschränken und so ihre Kriegspflicht zu erfüllen. So sollte sich die Anzahl und die Menge der Mahlzeiten minimieren.

Im Thüringer Volkskundemuseum erfuhr ich von der Sonderausstellung "Für Kaiser, Gott und Vaterland? Das kurze Leben des Ernst Heller (1884 - 1916)" vom Schicksal der Minna Heller aus Trusen bei Schmalkalden. Ihr Mann musste im August 1914 in den Krieg ziehen. Sie hatte ein schweres Los. Während des Krieges brachte sie ihr viertes Kind zur Welt. Ihr Mann fiel 1916 im Krieg. Sie stand mit 29 Jahren da - mit vier Kindern, die sie groß ziehen musste. Die Familienunterstützung, eine monatlich gezahlte staatliche Beihilfe für Kriegsfamilien, konnte den Einkommensverlust nicht ersetzen. Sie musste mit sehr wenig Geld auskommen. Noch geschwächt von der letzten Geburt kümmerte sie sich um Haus, Hof und Kinder. Sie bangte um ihren Sohn, der im Winter an Diphterie erkrankte und trauerte um ihren gefallenen Mann. Doch Minna Heller ist eine starke Frau. Sie flüchtet sich nicht in die Trauer und hadert nicht mit ihrem Schicksal. Sie lebt mit ihren Erinnerungen an die 10 gemeinsamen Jahre mit ihrem Mann und der Glaube gibt ihr Kraft und Halt im Leben. Sie hält ihre Familie zusammen und organisiert für jedes Kind eine Ausbildung. Ihr Leben war symbolisch für die Geschichte vieler Frauen im Ersten Weltkrieg.


 

  4. Feldpostbriefe

 

Zum ersten Mal in der Geschichte wurde die Zivilbevölkerung voll in den Krieg einbezogen und mobilisiert. Die Aufgabe der Frauen bestand nicht nur darin Waffen zu produzieren und soziale Dienste zu leisten, sondern die Truppen auch moralisch zu unterstützen. So sollte sich ein vorbildlicher Feldpostbrief an die Männer, Söhne oder Brüder, durch stilles Erdulden und tapferes Ertragen der kriegsbedingten Belastungen und Widrigkeiten auszeichnen. Für persönliche Ängste, Sorgen oder gar Kritik an den bestehenden Verhältnissen darf kein Platz sein. Malita von Rundstedt gab 1916 in Ihrer Propagandaschrift "Der Schützengraben der Frau" folgende Schreibnorm für die Frauen heraus.

"Ja, die Heimatbriefe sind an der Front eine große Macht und die ist in unsere Frauenhände gelegt. Ein Brief kann einen Mann gut, oder schlecht, zum Helden oder zum Feigling machen, kann ihm helfen, das Eiserne Kreuz zu verdienen, aber auch verleiten, seine Soldaten Ehre zu verlieren  [ ...]. Darum möchte ich dich bitten, deutsche Frau, schreibe immer nur Sonntagsbriefe ins Feld" (Ausschnitt aus Malita von Rundstedts: Propagandaschrift "Der Schützengraben der Frau" 1916).

Ein erfreulicher, aufbauender Brief, sollte den Kampfwillen und die Entschlossenheit zum "Durchhalten" an der Front stärken. Die Erfurter Zensurbehörde warnte öffentlich davor, Jammerbriefe zu schreiben oder sich in Gesprächen der Miesmacherei zu ergehen. Im Erfurter Stadtarchiv fand ich zwei Feldpostbriefe, von denen ich einen niederschreiben möchte. Brief von Rosa Machalett aus Gießübel an ihren Ehemann Herrmann an der Westfront vom 11.Oktober 1915.

"Lieber Herrmann, einsam und alleine sitze ich einmal in meinem Stübchen und meine Gedanken fliegen weit, weit fort. Ach wie ich mich doch nach dir sehne.... Es ist totenstill um mich her, unaufhaltsam rollen mir die Tränen über die Wangen. O wann wirst Du wohl enden, du schreckliche Zeit und mir mein zerstörtes Glück wieder aufbauen. Dieser Krieg schlägt tiefe Wunden, ja solche, die manchmal nie wieder zu heilen sind.... Solltest du wirklich für uns draußen Dein junges Leben lassen müssen, dann bitte deine Kameraden, daß du in deine Heimat gebracht wirst. Du hängst ja an deiner lieben deutschen Heimat mit Leib und Seele, und möchtest du dann in ihr eine sanfte Ruhestätte finden.... Aber wir haben noch ein Kind, das seinen lieben treuen Vater nie vergessen soll" (Dennis Bechmann und Heinz Mestrup: Quellen zur Geschichte Thüringens " Wann wird das Morden ein Ende nehmen " Seite 292).

 

5. Emanzipation nach dem Ersten Weltkrieg

 

Nach Ende des Ersten Weltkrieges übernahmen viele Männer wieder ihre früheren Berufe. Für die meisten Frauen blieb dort kein Platz mehr. Frauen hatten nun nicht mehr allein das Sagen. Viele kehrten zurück zur Hausarbeit. Viele fürchteten um die Autorität der Männer, wenn Frauen auch arbeiten und wählen gingen. Manche dachten, dass sie als Männer dann nicht mehr gebraucht würden. Adelheid Popp brachte es auf der Frauentagsversammlung im März 1918 auf den Punkt. Sie sagte: "Zum Wählen zu dumm - zum Arbeiten gescheit genug. Als Männerersatz haben Frauen überall Verwendung gefunden, wo menschliche Arbeit gebraucht wird. Schweres und Unmenschliches haben die arbeitenden Frauen im Krieg erduldet. Die hergebrachten Redensart, die ins Haus gehörte, könnte man endlich aufgeben...". Ob die Emanzipation durch den Krieg vorangebracht oder verlangsamt wurde, ist schwierig zu sagen. Fakt ist, dass sich das Selbstwertgefühl der Frauen durch den Krieg verbesserte, weil sie auch ohne Männer überleben konnten. Doch ihre Ausbeutung schließt auf eine sehr harte Zeit zurück, die oftmals sehr demütigend für die Frauen war. Positiv sind die Veränderungen, die Frauen in Verwaltungsberufen erfahren haben. Sie haben in diesen Berufen dauerhaft Fuß gefasst. Besonders der Wandel vom Sekretär zur Sekretärin, ein vorher typischer Männerberuf, ist ein Sieg für die Frauen.

Frauen fordern nun auch die Teilnahme an der Politik. Das Wahlrecht für Frauen soll durchgesetzt werden. In der Weimarer Verfassung wird das aktive und passive Frauenwahlrecht festgemacht. Die Durchsetzung des Wahlrechts für Frauen ist am 12.11.1918. Insgesamt ist die Gesellschaft von dem neuen Frauenselbstbewusstsein geprägt. Sie haben sich das Recht erkämpft, allein ins Kino oder Theater zu gehen und Frauen werden verstärkt in Parteien und politischen Verbänden aktiv. Dies hat der Krieg beeinflusst. Daher kann man sagen, dass der Erste Weltkrieg die Emanzipation vorangebracht hat und die Rollenklischees dementsprechend verändert hat.

 

von Lisa Maria und Julia